31 Tage. Über 155 Stunden. So lange demonstrierten Aktive unserer Aktionsgruppe Kempten von Juli bis September vor Circus Krone für einen tierfreien Zirkus und begleiteten diesen auf seiner Tour durchs Allgäu. Wer nun glaubt, so eine lange Demo sei total langweilig und jeder Tag würde gleich aussehen, hat sich gewaltig geirrt. Ganz im Gegenteil: Dank der kreativen Versuche des Zirkus, uns zu provozieren und loszuwerden und dank der vielen verschiedenen Passant_innen, auf die wir trafen, war für uns meist top Unterhaltung geboten.

Die kindischen „Streiche“ des Zirkus

Grundsätzlich versuchte Circus Krone, mit einem Lautsprecherwagen, aus dem eine sich gefühlt alle zwei Minuten nach gleichem Schema wiederholende Endlosmelodie schallte, uns zu übertönen. Beinahe ein Ritual, das wir bereits von Demos vor seinem Hauptsitz in München kennen. Dank unseres Megafons und der von einem unserer Aktiven selbst gebastelten Sprechrohre gelang ihnen dies jedoch nur bedingt. Als sei der Lautsprecherwagen noch nicht ausreichend, ließ sich der Zirkus bei fast jedem Gastspielort etwas Neues einfallen, um uns zu schaden. Die „Streiche“ reichten von der Blockade unseres Demoplatzes mit mehreren Autos und Anhängern über Schilder an einem ihrer Wagen mit der Aufschrift „Auch wir vom Circus Krone sind dagegen, dass Tiere gequält werden. Deswegen tun wir es auch nicht“ bis hin zu Malkreidesprüchen wie „Kein Geld? Werde Demonstrant“ auf dem Boden. Einmal versuchten sie sogar, uns umzufahren. Einer der LKWS fuhr langsam auf unseren Demoplatz zu und als einer unserer Aktiven nicht weichen wollte, wurde er einfach mit dem LKW beiseite geschoben.

Highlights waren auch die Beschwerde, wir würden die Schulkinder an einem Sonntag beim Lernen stören und einige Zirkusmitarbeiter_innen könnten wegen uns nicht schlafen, sowie die Videos von uns, die sie ins Internet stellten und auf denen sie uns u.a. als „Tierquäler“ und „Pädophile“ beschimpften. Zu ersterem sollte noch erwähnt werden, dass dem Circus laut Ordnungsamt bereits vor Aufbau der Platz unserer Demonstration bekannt war, sie jedoch trotzdem den Schulunterrichtswagen genau neben unserem Demoplatz parkten. Welch Zufall, um sich später perfekt aufregen zu können. Ein anderes Mal beschwerten sie sich ca. eine halbe Stunde vor Ende unserer Aktion bei der Polizei, wir würden die Besucher_innen belästigen, nachdem wir mit einigen Leuten ein paar längere Gespräche geführt hatten. Wie wir von einer Journalistin und einigen Besucher_innen zudem erfuhren, sammelte der Zirkus Unterschriften für Tiere im Zirkus. Zu unserer Ehre wurde außerdem ein extra Mülleimer für die Flyer, die wir verteilten, am Eingang aufgestellt, der zeitweise einen Zettel mit der Aufschrift „Tierrechtsmüll“ trug. Ab und zu kam ein Zirkusmitarbeiter zu uns, um uns die weggeworfenen Flyer zurückzugeben.

All diese Reaktionen zeigten uns, dass wir dem Zirkus nicht nur auf die Nerven gehen, sondern dieser offenbar wegen uns Existenzängste hat. Warum sonst sollten sie schließlich auf so vielerlei Weise versuchen, gegen uns vorzugehen, wenn sie nichts zu befürchten haben? Auch auffällig war, dass sie weder auf ihren Schildern oder Malkreidesprüchen noch in einigen Gesprächen mit uns Argumente dafür liefern konnten, warum es ihren Tieren im Zirkus gut gehe. Warum? Weil es diese Argumente gar nicht gibt.

Die Reaktionen der Passant_innen

Was ich persönlich jedoch viel interessanter als die Spielchen des Zirkusses fand, war, auf welche unterschiedlichen Menschen wir getroffen sind und wie weit deren Reaktionen auf unsere Aktion auseinandergingen. So gesellten sich erfreulicherweise bei jedem Gastspielort neue Aktive spontan zu uns, die uns tatkräftig unterstützten. Auch erhielten wir viel positiven Zuspruch, sowohl von vorbeifahrerenden Autofahrer_innen, die hupten oder uns Daumen nach oben zeigten, als auch von Passant_innen und sogar einigen Zirkusbesucher_innen, die auf unserer Liste unterschrieben. Einige waren gar derart begeistert von unserer Aktion, dass sie uns Obst oder Eis schenkten oder extra kamen, weil sie uns von Zuhause aus gehört hatten.

Weit im Kontrast dazu stehen die unzähligen Beleidigungen, Beschimpfungen und Drohungen, die wir uns anhören mussten. Ein Zirkusbesucher wurde sogar handgreiflich und bei einem Gastspielort wurden mehrmals rohe Eier nach uns geworfen. Natürlich hatte niemand von uns erwartet, dass alle Menschen positiv auf unsere Aktion reagieren würden.

Die sonderbare „Tierliebe“

Wenn mensch sich in Erinnerung ruft, wofür wir eigentlich da stehen, finde ich die Reaktionen einiger Menschen schockierend. Wir setzen uns für die Tiere ein. Es geht um nichts, was all diese Menschen, all die Zirkusbesucher_innen und Passant_innen, überhaupt groß betreffen geschweige denn ihnen schaden würde. Wir wünschen uns lediglich, dass die Tiere nicht mehr in Gefangenschaft ausgebeutet werden und leiden müssen und möchten den Menschen nahebringen, in Zukunft tierleidfreie Unterhaltung zu wählen. Selbst wenn unser Wunsch nach einem Tierverbot in Zirkussen in Erfüllung ginge, so würde sich in deren alltäglichem Leben rein gar nichts verändern. Doch so aggressiv wie einige von ihnen reagierten, könnte mensch meinen, wir wären die reinsten Schwerverbrecher_innen und würden ihnen nach Leib und Leben trachten. Dabei setzten wir uns lediglich für die Rechte der Tiere ein. Und wie viele genau dieser Menschen würden auf die Frage, ob sie tierlieb sind, mit ja antworten?

Genauso unverständlich wie das aggressive Verhalten dieser Menschen uns gegenüber, bleibt für mich deren fehlendes Mitgefühl. Als ich gemeinsam mit einigen Aktiven bei verschiedenen Gastspielorten um das Zirkusgelände lief und wir hin und wieder einige Blicke auf die Tiere werfen konnten, genügten bei mir schon diese wenigen Augenblicke, um mich traurig zu stimmen und mich gleichzeitig in meinem Einsatz für die Tiere zu bestärken. Die Tiger und Löwen sind in kleinen Käfigen gefangen, z.T. wie in Legebatterien. Bei einem Gastspielort lag ein Tiger ständig in der prallen Sonne bei ca. 30 Grad, wobei ihm so warm war, dass er kontinuierlich hechelte. Die Pferde waren alle separat in nur wenige Quadratmeter große Boxen gesperrt. Ein Pferd bemerkte mich von hinten, drehte sich langsam um und schaute mich traurig an. Der Pool der Seelöwen war nur einen Bruchteil so groß wie das Schwimmerbecken im Schwimmbad meiner Nähe. Ein Schwimmbad in dieser Größe würde wohl kaum jemand besuchen, da mensch schon nach wenigen Schwimmzügen auf der anderen Seite angelangt wäre. Und diese Tiere, deren Lebensraum normalerweise das Meer ist, sollen darin leben und Stunde um Stunde und Tag um Tag dahinfristen?

Der Anblick tat weh, doch gleichzeitig wunderte ich mich über die Besucher_innen im sog. „Krone Zoo“, die dafür bezahlt hatten, die Tiere anzugaffen. Sie sahen von dort doch genau das Gleiche von nahem, was ich von fern sah. Die gleichen Tiere, die gleichen Käfige, das gleiche Leid. Doch bei ihnen schien all das keinerlei Emotionen hervorzurufen. Als ich vor dem Zirkus Flyer verteilte, meinte eine Frau, die mich wie viele der Besucher_innen aufgrund meiner Schminke für eine Zirkusmitarbeiterin hielt, dass sie gerade in der Tierschau war und wie gut es den Tieren doch dort ginge. Offenbar fehlt all diesen Menschen vollkommen das Vermögen, sich in diese Tiere hineinzuversetzen. Sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie tagein tagaus in einem Käfig sitzen müssten, wenn sie für die Transporte stundenlang in kleinen, engen und dunklen Wägen mit nur einem kleinen Fenster weit oben sitzen müssten. Wenn sie täglich geschlagen würden, bis sie irgendwelche dämlichen Kunststücke aufführen. Denn auch der Einsatz von Peitschen, der bereits von außen zu hören war, wurde uns von einigen Besucher_innen bestätigt. Ebenso der Einsatz von Elefantenhaken während der Vorstellung,

Jeder Tag hat sich gelohnt

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich keinen Tag bereue, an dem ich vor dem Zirkus gemeinsam mit meinen Mitstreiter_innen für einen tierfreien Zirkus gekämpft habe. Zum einen natürlich, weil es sich meiner Meinung nach immer lohnt, sich für Tiere und deren Rechte einzusetzen. Auch jedoch, weil es schön zu erleben war, dass auf jeder Demo der Zusammenhalt von uns Aktiven untereinander deutlich zu spüren war – ganz egal, wie verschieden wir uns sind. Auch Aktivist_innen, die neu dazu kamen, wurden gleich gut aufgenommen. Eine von ihnen sagte mir sogar, wie viel Kraft und Energie ihnen der Einsatz für die Tiere gebe. So kann ich, wenngleich ich diesen Sommer erstmals seit Jahren nicht weggefahren bin, auf einige erlebnisreiche Wochen zurückblicken und möchte mich abschließend an dieser Stelle auch noch bei allen meinen Mitstreiter_innen für deren tatkräftigen und unermüdlichen Einsatz für die Tiere bedanken! Zirkus JA, aber OHNE Tiere!

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